Der Start in die Zukunft ...

Ich bin, wie der ein oder andere von euch sicher auch, Mama eines Superfühlkraftkindes.

Nein, das hat nichts mit Superhelden zu tun. Und nein, es geht auch nicht um eine Superheldenkraft. Obwohl ... irgendwie kann man dies in unserer heutigen verkümmerten und abgestumpften Gesellschaft doch als eine ansehen.

Meine Tochter zieht sich keine Umhänge an, kann nicht fliegen, hat keinen Eisatem, kann nicht übermenschlich schnell laufen und auch keine Dinge schweben lassen oder sowas. Sie ist keine ausgedachte Comicfigur - aber sie ist anders als andere. Und das im überaus positiven Sinn!

Meine Tochter hat eine (verzeiht mir diese "neumodische" Ausrucksweise) Superfühlkraft.

Als waschechtes Superfühlkind muss sie natürlich auch etwas besonderes können. Und ja, das kann sie tatsächlich. "Superfühlkinder" ist nämlich ein anderer Begriff für hochsensible Kinder (auch HSP genannt).

Jetzt werden einige sagen:
Das mit dem HSP ist nur eine moderne Ausrede für Eltern, die eine Ausrede für Erziehungsfehler brauchen. Hochsensibilität ist doch gar nichts Besonderes, da alle Menschen grundsätzlich hochsensibel sind.

Nun, das ist so nicht richtig.

Hochsensibilität wurde von der amerikanischen Psychologin Elain N. Aron "entdeckt" (publik gemacht). Sie rückte dieses Thema und alles, was damit zusammenhängt als Erste ins Licht der Öffentlichkeit. Das Thema Hochsensibilität hat in den letzten Jahren glücklicherweise immer mehr öffentliches Interesse erhalten.

Und nein, Hochsensibilität wird den Menschen (Kindern) nicht anerzogen, sondern man ist von Geburt an ein HSP (= High Sensitive Person). Es wird auch vermutet, dass diese Eigenschaft von den Eltern vererbt wird (was ich mir persönlich nicht vorstellen kann). Etwa 15 - 20 % der Menschen sind hochsensibel.

Was aber wissenschaftlich nachgewiesen wurde ist, dass diese Eigenschaft auch bei Tieren im Umlauf ist. Elaine N. Aron erklärt dies anschaulich in ihrem ersten Kapitel (was ich hier nicht wiederholen möchte und darf). Aber zum Glück gibt es ja Google ;-)

Körperliches

Aufgrund besonderer Eigenschaften des Nervensystems sind hochsensible Menschen sehr viel empfindlicher gegenüber inneren und äußeren Reizen.

HSP müssen sehr viel mehr Informationen als "Normalsensible" verarbeiten. Sie nehmen ihre Umwelt wesentlich detailierter wahr - sowohl die Dinge um sie herum, wie auch alle Emotionen, die sie empfinden. Viele Hochsensible besitzen eine hohe Intelligenz (sind teils sogar hochbegabt) - können diese jedoch nicht ausleben, da ihre Leistungsfähigkeit oft unter ihrem lauten Umfeld, Druck und extremen Ängsten leidet.

Das Gehirn eines Normalsensiblen filtert wichtige von unwichtigen Informationen aus. Somit müssen sich Normalsensible "nur" mit diesen Informationen auseinandersetzen. Hochsensible allerdings können diese Informationen im Gehirn nicht filtern, weshalb sie sich mit wesentlich mehr Einflüssen / Informationen auseinandersetzen müssen.

Hier mal ein (etwas banales, aber hoffentlich anschauliches) Beispiel:
Ein Normalsensibler sitzt an einem See. Er atmet die frische Luft, spürt das Gras unter sich, sieht sich den See an, registriert die Bäume, usw.

Ein Hochsensibler tankt neue Kraft aus der Ruhe, die ihn umgibt. Er nimmt die Vögel und die Eichhörnchen war, sich sich in den Bäumen bewegen, sieht dem Schmetterling hinterher und fragt sich, wie es eigentlich möglich ist, dass manche Tiere fliegen können und woher die Schmetterlinge ihre schönen Farben haben. Er malt sich Geschichten aus, ob kleine Elfen die Schmetterlingsflügel anmalen. Dann fragt er sich, welche Fische wohl im See leben und ob es möglich wäre, dass es Meermenschen gibt - was diese wohl essen würden, usw.

Hochsensible Menschen (Kinder) sind sehr wissensdursig und stellen oft Fragen, die man von normalsensiblen Kindern oft nicht hören würde. Durch ihr Interesse eigenen sie sich entsprechend viel Wissen an.

Allerdings gibt es leider auch einige Schattenseiten, die - nicht zuletzt durch unsere ausgrenzende und engstirnige Gesellschaft - gerade hochsensiblen Kindern das Leben schwer machen.


Positive und negative Aspekte der Hochsensibilität

(Mögliche) positive Eigenschaften eines HSP:

- extreme Reflexionsfähigkeit
- kleine Perfektionisten (sehr gewissenhaft, aber oft auch sehr unglücklich, wenn etwas nicht gelingt)
- große Vorstellungskraft
- Kreativität
- sehr feinfühlig, intuitiv
- sie sind oft empathisch (gsteigertes Mitgefühl, Einfühlsamkeit)
- Blick für Details / kleine Veränderngen
- teils intensiver Geruchssinn oder starkes Gehör

Anmerkung:
Meine Tochter meinte zuletzt zu mir, dass sie das Essen nicht essen wollte, weil es komisch riecht. Ich habe sie innerlich für bekloppt erklärt, habe es aber akzeptiert. Nachdem ich das Essen (Milchreis mit frisch geöffneter Milch) zuende gegessen habe, bin ich auf Toilette gerannt. Ich habe starke Magenkrämpfe und Durchfall bekommen.
Ob meine Tochter intuitiv wusste, dass das Essen nicht gut war (obwohl die Milch frisch war und der Milchreis noch nicht abgelaufen) oder ob das ales nur Zufall war, kann ich nicht sagen. Seltsam fand ich es im Nachhinein dennoch.


(Mögliche) negative Eigenschaften eines HSP:

- oft extreme Frustrationstolleranz
- sehr hohe Verletzlichkeit
- vieles wird falsch verstanden und auf sich bezogen (Scherze werden nicht als solche erkannt)
- oft existiert eine erhöhte Ängstlichkeit
- hören oft "Schallwellen" (zB. das Geräusch eines ausgestellten Fernsehers oder CD-Players), welche sie zur Verweifelung bringen kann
- schnellere Überreiztheit und schneller gestresst
- Oft resultieren aus zu vielen negativen Einflüssen:
viele Ängste, niedriges Selbstwertgefühl, das Gefühl "falsch" (= anders) zu sein, Ausgrenzung, starke Unsicherheit, oft Rückzugsaktionen (weggehen, unter den Tisch setzen - die "Hörebene" ändern -), Jährzorn, Konzentrationsschwierigkeiten, übermäßige Sorgen
- ein Leben zwischen "himmelhochjauchzend" und "zu Tode betrübt"
- unter Druck werden Hochsensible oft aggressiv oder jähzornig
- schnelle Verzweiflung, wenn man etwas nicht schafft oder nicht versteht (= "quälender Perfektionismus")
- Wenn Kinder (und Erwachsene) nicht mit ihrer Hochsensibilität anerkannt und geschätzt werden, können sie schnell verzweifeln. Aus dem Gefühl nicht "normal" zu sein, versuchen sie oft, sich der Norm anzupassen - was sehr oft zu Depressionen oder anderen (psychischen oder körperlichen) Krankheiten führen kann.


Ich spreche absichtlich von "möglichen" Eigenschaften, da natürlich jedes hochsensible Kind (genauso wie normalsensible Kinder ebenfalls) sich aufgrund des Elternhauses, der Umwelt, usw. anders entwickelt.

Ein hochsensibles Kind in einem liebenden Elternhaus, in dem man von der Hochsensibilität bescheid weiß und entsprechend das Kind handhabt, entwickelt sich ganz anders - viel positiver - wie beispielsweise ein hochsensibles Kind, dessen Eltern Trinker sind, das Kind schlagen, es unter Leistungsdruck setzen oder wo es gar traumatische Erlebnisse durchleben muss (zB. Mißbrauch, Erniedrigung, Gewalt, usw.).

Leistungsdruck, Ängste, Unverstandenheit, usw erzeugen Stress - und Stress wirkt sich gerade auf ein hochsensibles Kind (genauso wie natürlich auf ein normalsensibles Kind in geringerem Maße ebenfalls) extrem belastend aus. Es kann dadurch psychisch, genauso wie auch körperlich krank werden. Nur durch die o.g. Eigenschaft des Gehirn erleben hochsensible Kinder dies alles viel intensiver.

Man sagt auch, sie besitzen eine "sehr dünne Haut" (was man in Bezug auf Krankheiten und Allergien durchaus wörtlich nehmen darf). Sie durchleben ihre Gefühle (sowohl die positiven, wie auch die negativen) sehr viel Intensiver, da auch diese nicht "gefiltert" und damit abgeschwächt werden.

Dies ist auch der Grund, weshalb sie oft zu Mobbingopfer in der Schule werden. Hochsensible Kinder sind umgangsprachlich "nah am Wasser gebaut". Sie weinen schneller, sind schneller gekränkt - aber verzichten (im Vergleich zu Normalsensiblen) auch wesentlich häufiger auf "Racheaktionen". Deshalb sind sie das "perfekte Opfer" für Mobber, die mit ihren hirnlosen Worten und Taten schießlich nur eines erreichen wollen: Sie wollen das Mobbingopfer weinen sehen.

Egal ob man Hochsensibilität anerkennt oder diese wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Angst und Unwissenheit als "Blödsinn" abtun möchte, eine "einfache Regel" im Umgang mit dem eigenen Kind (egal ob hochsensibel oder normalsensibel) ist stets zu beachten:

Man muss ein Kind nehmen, wie es ist, es unterstützen und seine Selbstständigkeit und sein Selbstvertrauen fördern.

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